Rhein-Sieg-Kreis (hei) – „Der Blick ging mit Zuversicht nach vorne in eine Zukunft im Rheinland. Der Lebenswille war nicht gebrochen, ein Neuanfang in Aussicht“, so Hans Grugel in der Rückschau nach 77 Jahren auf die furchtbaren Erlebnisse von Flucht und Vertreibung aus Polen und der Erfahrung einer sicheren Ankunft im Vorgebirge im Frühjahr 1945.
Als kleiner Junge erlebte er Flucht und Vertreibung vom Bauernhof im Dorf Damerau, gelegen in der Koschneiderei, einem Verbund von 19 Dörfern südlich von Danzig. Eindringlich schildert Hans Grugel die Flucht: „Bis auf ein paar Fotos und wichtige Dokumente, die wir in einem kleinen Koffer transportiert hatten, und das, was wir am Leibe trugen, hatten wir alles verloren. Ich hatte ein kleines rotes Kopfkissen gerettet, mein ´Fritzchen´.“ Als Glücksfall erwies sich in dieser Situation die Versetzung des Großonkels Joseph Schwanitz als Lehrer an die Volksschule nach Bornheim-Walberberg, bereits am 15. Juni 1929. Großonkel Schwanitz, ebenfalls aus Damerau, hatte als Lehrer und somit als deutscher Beamter im damals eingerichteten polnischen Korridor keine Anstellung mehr erhalten, und war darum ins Rheinland versetzt worden. So fanden nicht nur Hans Grugel mit seiner Mutter und den Großeltern beim Großonkel in der Walberberger Vikarie, dem ehemaligen Wohnhaus der Kapläne in der Kirchstraße 9 (heute Walburgisstraße) ein Zimmer. Joseph Schwanitz sorgte zudem dafür, dass drei Schwestern der Mutter Hans Grugels und drei Brüder, die im Krieg als Soldaten gedient hatten, in Walberberg mit ihren Familien eine neue Heimat fanden. Auch seine Schwägerin und deren Tochter holte Joseph Schwanitz ins Vorgebirge.
Zusammenhalt und die Sehnsucht nach einem „normalen“ Leben prägten die Anfangsjahre. So entwickelte sich aus der neuen Hausgemeinschaft in der Kirchstraße 9 „in Windeseile eine Zweck- und Freizeitgemeinschaft, die das Leben arbeitsteilig in Angriff nahm, um kleine Freuden und Genüsse wieder zu erreichen.“ Anschaulich lässt der Autor das Leben der Nachkriegszeit vor dem geistigen Auge erstehen: Bienenhonig wurde mit einer Zentrifuge auf dem Hausspeicher hergestellt, der selbstgebrannte „Schabau“ aus „Prumme“ war an den Samstagabenden dabei, wenn die Familie, und später auch die Nachbarn, zu Skat- und Spieleabenden zusammenkamen. Die Neu-Ankömmlinge und Alt-Eingesessenen brachten sich gegenseitig Spiele bei: „Olsche basta“, „Hezzblättche“, „Sebbeschröm“ und „Mau Mau“. Während die Erwachsenen dafür sorgten, dass sich zügig verlässliche Alltagsstrukturen einstellten, kamen sich die Kinder auf ihre Art näher. Über Spiel und gemeinsame Erlebnisse lernte der junge Hans sehr schnell das „Berjer Platt“ sprechen, „wie alle echten Walberberger auch“.
Welche lustigen Erlebnisse und Missverständnisse, wie zum Beispiel rund um den „Exxe-Pater“ damit verbunden waren, können Interessierte im neuen Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2023 nachlesen.
Es trägt den Titel „Zu Hause – Der Rhein-Sieg-Kreis als alte und neue Heimat“. Die zahlreichen, spannend zu lesenden Lebensgeschichten im aktuellen Jahrbuch, zeichnen das Bild einer Region, die schon immer in einem regen Austausch mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Nationen gestanden hat und steht; ebenso wie von dem Austausch beide Seiten profitieren. Auch für die kommenden Festtage ist das Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises ein geeignetes Geschenk für alle, die an Heimatgeschichte interessiert sind.
Das Jahrbuch 2023 ist in der Edition Blattwelt von Reinhard Zado erschienen und für 13,50 Euro im Buchhandel erhältlich. Details zum Inhalt sind unter www.rhein-sieg-kreis.de/jahrbuch abrufbar.
Nach dem Jahrbuch ist auch immer wieder vor dem Jahrbuch: im neuen Jahrbuch wird es um das Ehrenamt gehen. Die Redaktion des Jahrbuchs freut sich über Vorschläge, Ideen und Anregungen, bevorzugt einzureichen per E-Mail unter jahrbuchrhein-sieg-kreisde, oder telefonisch über 0172/8880503.
18.11.2022/577