Interview mit Marouane Mhadhbi – Case Manager (CM) der Gemeinden Neunkirchen-Seelscheid und Much
1. Seit wann arbeitest du als Case Manager?
Marouane Mhadhbi: Ich bin seit dem 01.03.2022 als Case Manager im Rhein-Sieg-Kreis tätig. Nach der Einarbeitung habe ich meine Arbeit in den Kommunen aufgenommen. Ich bin wöchentlich jeweils zwei Tage in Much und drei Tage in Neunkirchen-Seelscheid tätig.
2. Wie war dein Einstieg in den Kommunen?
Marouane Mhadhbi: In den ersten Wochen ging es vor allem darum, vor Ort anzukommen, sich zu orientieren und kommunale Strukturen kennenzulernen. Zudem war das Kennenlernen erster Akteure wichtig.
Als ich in den Kommunen die Arbeit aufgenommen habe, begannen die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine anzukommen. Obwohl es eine schwierige Arbeitsbelastung für die jeweiligen Sozialämter war, haben sich die Kollegen die Zeit genommen mich herzlichen willkommen zu heißen und mir über deren Arbeitsbereiche zu berichten. Zudem habe ich an verschiedenen Arbeitskreisen und Teamsitzungen teilgenommen, um lokale Integrationsstrukturen kennen zu lernen. Derzeit pflege ich einen guten Kontakt zu den verschiedenen Netzwerken, darunter die kommunalen Mitarbeitenden, Schulpersonal, Flüchtlingsorganisationen, ehrenamtlichen und weiteren lokalen Initiativen. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren ist eine essentieller Teil der Integrationsarbeit.
Um in die Beratungstätigkeit einsteigen zu können, haben wir zudem eine gemeinsame Auftaktveranstaltung für Much und Neunkirchen-Seelscheid vorbereitet. Ziel davon war die Vernetzung und Abstimmung über Schnittstellen und Beratungsakteure vor Ort.
3. Kannst du dein professionelles Netzwerk in der Kommune beschreiben? Mit wem arbeitest du zusammen?
Marouane Mhadhbi: Ich arbeite mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinden wie auch externen Beraterinnen und Berater der Kommunen zusammen. Diese Kommunikation ist für meine Tätigkeit essentiell und hilft den Integrationsprozess zu beschleunigen und zu verbessern.
4. Welche Aufgaben hast du als Case Manager ?
Marouane Mhadhbi: Im Allgemeinen lassen sich die Aufgaben des Case Managements im Rahmen von KIM in verschiedene Bereiche unterteilen. Ein Teil der Aufgaben ist die klassische Beratungstätigkeit, ein anderer Teil ist die Zusammenarbeit, die Vernetzung und der Austausch. Insgesamt ist dafür eine Erfassung von Bedarfen, Angeboten und Ressourcen von der Zielgruppe und den integrationsrelevanten Akteuren wichtig.
Das Case Management bietet eine Orientierungs- und Integrationshilfe sowie das Angebot von Einzelfall- und Verweisberatungen. In diesem Zusammenhang bin ich direkte Ansprechperson für die Bürger:innen der Zielgruppe. Inhaltlich ist der Beratungsprozess so aufgebaut, dass nach dem Erstgespräch eine Situations- und Bedarfs- und Ressourcenanalyse mit der zu beratenden Person durchgeführt wird. Werden mehrere Bedarfe ermittelt, werden Zielvereinbarungen und eine Maßnahmenplanung erarbeitet. Dies geschieht auf partizipatorischer und freiwilliger Basis. Danach geht es um die Umsetzung der Maßnahmen, der Bürger bzw. die Bürgerin geht zu entsprechenden Fachstellen und Maßnahmen. Im Monitoring wird eine Verlaufskontrolle durchgeführt. Das kann z.B. durch Protokollieren, Beobachtungen und Rückmeldungen/Austausch mit den an dem Beratungsprozess beteiligten Akteuren sowie regelmäßige Re-Assessments zu dem jeweiligen Fall geschehen. Der Abschluss des Beratungsprozesses beinhaltet die Auswertung (Evaluation) des Gesamtprozesses. Im Case Management geht es in einer abschließenden Auswertung um die Verknüpfung zwischen der Reflexion der Einzelfallarbeit und der Weiterentwicklung der Angebotsstruktur.
Mit dem Punkt der Weiterentwicklung der Angebotsstruktur kommen wir zum zweiten Aufgabenschwerpunkt des Case Managements im Rahmen von KIM: Die Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort. Das Case Management möchte einerseits Fallkonferenzen und Fallanalysen, mit den am Fall beteiligten Akteuren, durchführen. Zudem möchten wir, bei der Planung und Entwicklung von Angeboten, im Integrationsbereich vor Ort mitwirken. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit und Austausch mit den Integrationsakteuren vor Ort sowie Netzwerk- und Schnittstellenarbeit mit Behörden, Akteuren und Case Managerinnen und Case Managern im Rhein-Sieg-Kreis wichtig. Neben der Zusammenarbeit vor Ort ist auch die Berichtserstattung an die Kommune und des Kreises eine wichtige Aufgabe. Es geht dabei u.a. um die Analyse und Weitergabe von Erkenntnissen und Fakten zu Integrationsprozessen an Strategieebene des KIM, also die Koordinationsebene.
5. Wer kann sich an dich wenden?
Marouane Mhadhbi: Grundsätzlich können sich alle Bürgerinnen und Bürger mit Zuwanderungsgeschichte/Migrationshintergrund an mich wenden. In der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid liegt der Schwerpunkt der Beratungen auf Bürgerinnen und Bürgern, die neu zugewiesen sind. Zu meinen Aufgaben gehört zum Beispiel die Vermittlung in Sprachkurse, aber auch eine zusätzliche Orientierung und Klärung der administrativen Abläufe in Deutschland zu geben. In Much kann sich jede Bürgerin/jeder Bürger mit Zuwanderungsgeschichte, unabhängig vom Alter und Aufenthaltsstatus, an mich wenden. In der Erstberatung kann ich dann, je nach individuellen Gegebenheiten und Bedarfen, an die zuständigen Beratungsstellen und Institutionen weiterverweisen. In akuten Fällen wird jede Bürgerin bzw. jeder Bürger in seinem Anliegen sofort unterstützt.
6. Woher weiß die Zielgruppe, dass es dich gibt?
Marouane Mhadhbi: In der Regel werden die Personen von meinem Kollegen vom Sozialamt an mich weitergeleitet. In beiden Kommunen ist die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen sehr gut aufgeteilt, sodass wir je nach Bedarf die Person an einander verweisen, und uns im voraus über die Fälle austauschen.
Nach meiner Auftaktveranstaltung, die am 08.06.22 stattgefunden hat, konnte ich mich in der Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit weiterhin bekannt machen. Des weiteren wird meine Dienstleistung als Case Manager durch Werbung durch die bereits ratsuchenden Menschen an andere Menschen mit Migrationshintergrund und Zuflucht suchende weitergegeben. Somit erfolgen viele neue Beratungsanfragen.
7. Wie kannst du Ihnen helfen?
Marouane Mhadhbi: Wenn ich als Case Manager die Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger im Erstgespräch oder in den Folgegesprächen eruiert habe, kann ich je nach Bedarfen und individuellen Anliegen, die Bürgerinnen und Bürger an die passenden örtlichen Beratungsstellen oder Helferinnen und Helfer verweisen (eine oder mehrere gleichzeitig). Zum Teil kann ich an Dritte (Rechtsanwälte, Ärzte, Kliniken, Behörden) verweisen oder selber unterstützend tätig werden. In dem meisten Fällen vereinbare ich mit der Person Ziele, und meine Aufgabe ist, die Person dabei zu unterstützen diese Ziele zu erreichen.
8. Hast du schon Beratungen durchgeführt und wenn ja welcher Art?
Marouane Mhadhbi: Eine Woche nachdem ich in den Kommunen angekommen bin, durfte ich direkt Einzelfälle beraten und je nach Anliegen der ratsuchenden Bürgerinnen und Bürger individuell passende Verweisberatungen durchführen. Da immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine in den Rhein-Sieg-Kreis kamen, war es wichtig, dass ich rechtzeitig dazu beitrug, den Flüchtlingen in allen administrativen Belangen zu helfen, mit dem zentralen Ziel, sie in ihrem Integrationsprozess zu unterstützen.
9. Wie gehst du vor, wenn verschiedene Akteure aus dem Helfersystem an einem Fall beteiligt werden müssen?
Marouane Mhadhbi: Als Case Manager gehört zu meiner Aufgaben die Personen je nach Bedarf an die richtigen Stellen zu verweisen. Dies hat das Ziel, dass keine parallelen Strukturen und Doppelberatungen entstehen.
Zudem hat eine passende Verweisberatung ein großes Vorteil: die Person landet bei der richtige Stelle und vermeidet unnötige Terminvereinbarungen bei der falschen bzw. nicht adäquaten Anlaufstelle. Die Koordination bei der Beteiligung mehrerer Beratungs- und Anlaufstellen übernehme ich in Absprache mit der Bürgerin bzw. dem Bürger.
10. Wie siehst du deine Rolle als Bediensteter des Rhein-Sieg-Kreises, der vor Ort in der Kommune arbeitet? Welche Vor- und Nachteile hat dies?
Marouane Mhadhbi: Als Mitarbeiter des Rhein-Sieg-Kreises betrachte ich meine Aufgaben als Case Manager als Unterstützung für die zwei Kommunen. Der Austausch über die Entwicklung der Integrationsprozesse im Kreis kann sowohl der Kreisverwaltung als auch den Kommunen helfen, die Zukunft der Integrationsarbeit aktiv mit zu gestalten. Die meisten der Geflüchteten und Zugewanderten kommen aus unterschiedlichen Gründen in das Rathaus, und so nimmt man als Case Manager Kontakt mit diesen Personen auf und hilft ihnen, sich an die richtige Stelle zu wenden.
Vor allem liegt der Vorteil im Austausch und der engeren Zusammenarbeit mit dem Kreis und der Kommune bzw. den Kommunen. Dadurch, dass wir immer im engen Kontakt, in Kooperation und in der Interaktion miteinander sind, können wir unsere Netzwerke und Integrationsarbeit intensivieren.
Vielen Dank!
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